Les fantômes
Jonathan Millet, Belgium, France, Germany, 2024o
Hamid, is part of a secret group pursuing the Syrian regime’s fugitive leaders. His mission takes him to France, on the trail of his former torturer whom he must confront. – Based on true events.
Auf den ersten Blick wirkt die Eröffnungsszene dieses Dramas unecht. Gefangene steigen aus einem Lastwagen und laufen leidend durch die Wüste: inszenierter Schmerz, der nichts mit der Realität zu tun hat, sondern ganz dem Kino entspringt. Die digitale Künstlichkeit der Bilder erinnert an die sterile Ästhetik eines Kriegsvideospiels. Doch genau auf einer solchen martialischen Videospiel-Plattform treffen Hamid und die anderen Mitglieder einer geheimen Organisation syrischer Bürger:innen aufeinander, die in Europa nach Kriegsverbrechern suchen. Die Kluft zwischen ihren Erzählungen und den Bildern des Videospiels ist riesig. Ihre Gespräche sind von den Geistern des Konflikts durchdrungen, die in jedem Satz spürbar sind, während die Darstellung des Krieges im Videospiel nichts über das Leiden der Opfer aussagt. Die ersten Einstellungen des Films sind also nicht wörtlich zu nehmen, sondern verweisen auf ein Terrain, zu dem der Spielfilm keinen Zugang hat und auf das sich Les fantômes nicht vorwagen wird: die direkte Darstellung des Krieges. In seinem ersten Spielfilm untersucht der französische Regisseur Jonathan Millet vielmehr, wie der Konflikt in den Köpfen seiner Opfer weiterlebt. Hamid ist überzeugt, in Strassburg seinen ehemaligen Folterer wiedergefunden zu haben, dessen Gesicht er nicht kennt. Der Mann, den er verdächtigt, ist ein Chemiestudent. Er beginnt, ihm mit einer Hartnäckigkeit zu folgen, die an Besessenheit grenzt. Geschickt stellt der Film die Sichtweise seiner Figur dabei ständig in Frage stellt: Erkennt Hamid seinen ehemaligen Peiniger wirklich oder halluziniert er? Der Psychothriller geht über das hinaus, was man sieht. Es ist Hamids innerer Schmerz, der die Bilder dramatisch auflädt.
Émilien GürGalleryo




