La petite dernière
Hafsia Herzi, France, Germany, 2025o
Fatima, 17, the youngest of three daughters, treads carefully as she searches for her own path, grappling with emerging desires, her attraction to women, and her loyalty to her caring French-Algerian family. Starting university in Paris, she dates, makes friends, and explores a whole new world, all while confronting a timeless and heartrending dilemma: How can one stay true to oneself when reconciling different parts of one’s identity feels impossible?
Die 17-jährige Fatima steht noch am Anfang ihrer Selbstfindung: Bevor sie ein Coming-out wagen könnte, muss sie überhaupt erst begreifen, ob sie wirklich auf Frauen steht. In ihrer liebevollen französisch-algerischen Familie ist sie das Nesthäkchen, von den älteren Schwestern geneckt, mit dem Ziel vor Augen, die Matur zu schaffen und Philosophie zu studieren. Zum Ausgleich spielt sie hartnäckig Fussball – immer allein. Die französische Regisseurin Hafsia Herzi, als Schauspielerin bekannt geworden mit La graine et le mulet, verfilmt den autobiografischen Roman von Fatima Daas im Tonfall ihres früheren Mentors Abdellatif Kechiche. Wie bei ihm entsteht eine Nähe, die weniger über Handlung als über Beobachtung wirkt. Die Konflikte bleiben leise – einzig eine Prügelei mit einem Mitschüler, der Fatima vorzeitig outet, durchbricht die Ruhe. Der eigentliche Kampf findet in Fatima selbst statt: zwischen ihrer aufrichtigen Religiosität und der verbotenen gleichgeschlechtlichen Liebe. Herzi spielt mit den Gegensätzen von Innerlichkeit und Offenheit. Fatimas Freunde prahlen derb mit ihren sexuellen Abenteuern, während ihre eigenen Begegnungen mit Frauen zart und unaufdringlich sind und auch so inszeniert werden. Mit dem Wechsel an die Uni öffnet sich ihr Umfeld – Pride-Parade, queere Partys, neue Freundschaften – doch Fatima bleibt gefangen zwischen Begehren und Glaube, bis sie erstmals Liebeskummer erlebt. Bemerkenswert ist, dass der Druck kaum von aussen kommt: Die Familie ist herzlich, der verehrende Jugendfreund behutsam, nur der Imam verkörpert religiöse Starrheit. Herzis ruhiger, musikalischer Stil erinnert an Kechiche; Nadia Melliti, in Cannes mit dem Darstellerinnenpreis ausgezeichnet, verleiht der Hauptfigur eine berührende Authentizität. La petite dernière überzeugt gerade dadurch, dass der Film nicht von Verurteilung erzählt, sondern von dem stillen, tiefen Ringen einer jungen Frau um Identität, Glauben und Selbstannahme. Dafür gab’s in Cannes auch die queere Palme. Zur ausführlichen Besprechung
Michael SennhauserGalleryo
